Kinderlieder Texte

Da Text und Musik für das Kinderlied seit der bürgerlichen Epoche fast ausschließlich von Erwachsenen für Kinder produziert werden, stehen die Einfachheit des Textes und die pädagogische Absicht als Prämissen vor der musikalischen Gestaltung. Nicht mehr die Entwicklung des Kindes mit den charakteristischen Lautäußerungen und zunehmender Inhaltstiefe bestimmt das Kinderlied, sondern das, was Erwachsene vom jeweiligen Entwicklungsstadium eines Kindes erwarten. Texte von Kinderliedern entsprangen ursprünglich Kinderreimen, die zur besseren Fasslichkeit mit rhythmischen und melodischen Charakteristika versehen wurden. Insofern hat sich das Verhältnis von Text und Musik völlig geändert.

Die Romantik: der Ursprung der heutigen Kinderlieder

Ausgangspunkt dieser Entwicklung war die Pädagogik des Bürgertums. Mit der Romantik zelebrierte die neue gesellschaftliche Macht ihre erste eigene Stilepoche; mit dem Kinderlied bestimmte sie auch die Erziehung des eigenen Nachwuchses. Hier bestand ein großer Bedarf, um sich einerseits gegen den vergangenen Erwachsenenkult des Adels in der Erziehung abzugrenzen und sich andererseits von den „niederen Ursprüngen“ des Landlebens zu entfernen. Allein Heinrich Hoffmann von Fallersleben schrieb über 500 Kinderliedertexte. Weitere bekannte Textautoren des 19. Jahrhunderts für Kinderlieder sind Ernst Anschütz oder der berühmte Pädagoge Friedrich Fröbel. Sie vereinnahmten das überkommene Kulturgut in der Weise, wie sie es für die neue Pädagogik sinnvoll hielten, übernahmen aber auch – ganz Romantik – die Idylle des Vergangenen. Zu welchem Zweck man was bevorzugte, kommt am besten zum Ausdruck, wenn man die Schreckgespenster aus dem „Struwwelpeter“ mit den Einschlafliedern der bürgerlichen Mütter vergleicht.

Der Text vermittelt dem Kind eine Botschaft

Kaum ein Text wie der von Ernst Anschütz aus dem Jahr 1824 für „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ bildet das pädagogische Prinzip des bürgerlichen Kinderliedes besser ab. Der Fuchs, ein traditioneller Missetäter, gibt das negative Vorbild; der Appell der Singenden soll das geschehene Unrecht wieder rückgängig machen. Nicht Sühne, sondern Einsicht, wird gefordert, und das mit eindrucksvollen Mitteln. Auf die Feststellung des Tatbestandes „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ folgt die doppelte Aufforderung „gib sie wieder her“ – Anklage und Wiedergutmachung im Verhältnis von 1:2. Für den Fall der Uneinsichtigkeit wird noch eine schwere Drohung nachgeschoben („sonst wird dich der Jäger holen mit dem Schießgewehr“), auch dies in doppelter Ausführung. Besser kann man das bürgerliche Erziehungsprinzip nicht in ein Lied umsetzen.

Inzwischen sind jedoch auch völlig neue Ansätze für Kinderlieder bzw. ihre Texte entstanden. Die Kinderliedertexte der frühen Prägung haben sich bis heute gehalten, auch wenn sich die gesellschaftlichen Bedingungen sehr verändert haben. Bezeichnenderweise gibt es eine neue Kultur der Lieder für Kinder erst, seitdem die Popmusik die frühere Funktion der Volkslieder übernommen hat.

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